Warum werden immer mehr Menschen fettleibig?
Wir leben in einer Adipositas-Pandemie
Die stetig wachsende Fettleibigkeitsrate ist eine der größten gesundheitlichen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts. Laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist einer von 8 Menschen fettleibig, das sind etwa 1 Milliarde Menschen weltweit. Während sich seit 1990 die Fettleibigkeitsrate bei Erwachsenen verdoppelte, vervierfachte sich die Rate bei Kindern und Jugendlichen zwischen dem 5. und 19. Lebensjahr [WHO, 2024]. Die Gründe für die steigenden Zahlen sind vielfältig, dennoch sind die Betroffenen häufig einer Stigmatisierung und Vorurteilen ausgesetzt [Friedman, 2004].
Ein Hauptgrund für die wachsende Fettleibigkeitsrate ist das anhaltende Ungleichgewicht zwischen der Menge an Kalorien, die wir zu uns nehmen, und der Menge an Kalorien, die wir verbrauchen [Boutari et al., 2023]. Dieses Ungleichgewicht führt dazu, dass mehr Energie aufgenommen als verbraucht wird, was als positive Energiebilanz bezeichnet wird. Diese positive Energiebilanz wird vor allem durch zwei Hauptfaktoren beeinflusst: Ernährung und Bewegung [Malik et al., 2013].
Ernährung
Unsere Ernährung spielt eine wesentliche Rolle bei der Zunahme der Fettleibigkeitsrate. Ein zentraler Faktor ist hier die bereits erwähnte positive Energiebilanz - es wird mehr Energie durch die Nahrung aufgenommen als verbraucht - was vor allem auf den Überfluss an Nahrungsmitteln zurückzuführen ist.
In westlichen Ländern ist grundsätzlich alles im Überfluss vorhanden. Das führt dazu, dass häufig mehr Lebensmittel konsumiert werden als notwendig, wobei überschüssige Kalorien als Fett gespeichert werden. Häufig zeichnet sich die Ernährung zudem durch einen hohen Anteil an verarbeiteten Lebensmitteln aus, die reich an Kalorien, Zucker und Fett sind, aber arm an wichtigen Nährstoffen wie Ballaststoffen, Vitaminen und Mineralstoffen. Der übermäßige Konsum solcher Lebensmittel trägt ebenso wesentlich zur Erhöhung der täglichen Kalorienzufuhr bei [Malik et al., 2013].
Grundsätzlich wird von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e.v. empfohlen, auf eine ausgewogene Ernährung zu achten, die reich an Obst und Gemüse, sowie Vollkorngetreiden, Hülsenfrüchten, Nüssen und pflanzlichen Ölen ist.
Für mehr Informationen zum Thema Ernährung besuchen Sie gerne die Webseite der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e.V..
Körperliche Bewegung
Ein Mangel an ausreichender Bewegung kombiniert mit dem Überfluss an fett- und zuckerreichen Lebensmitteln, führt dazu, dass weniger Kalorien verbrannt als aufgenommen werden. Laut dem Robert Koch Institut (RKI) erreichen in Deutschland immer weniger Menschen die von der WHO empfohlene körperliche Mindestaktivität. Zwischen 2014-2017 waren nur 26% der Kinder und Jugendlichen im Alter von 3 bis 17 Jahren ausreichend körperlich aktiv (60 Minuten pro Tag) [Finger et al., 2018]. Eine Umfrage des RKIs aus den Jahren 2019/20 ergab, dass nur etwa 44% der Frauen und etwa 51% der Männer die WHO-Empfehlung zur Ausdaueraktivität erreichen [Richter et al., 2021].
Für mehr Informationen zum Thema körperliche Bewegung besuchen Sie gerne die Webseite der Weltgesundheitsorganisation.
Fettleibigkeit kann Veränderungen in unserem Gehirn verursachen
Unsere Entscheidungen darüber, welche Nahrungsmittel wir konsumieren und wie viel wir uns körperlich betätigen, werden zudem stark von einer inneren Motivation beeinflusst. Unsere alltägliche Motivation, etwas zu tun richtet sich danach, wie stark die erwartete Belohnung den Aufwand entschädigt [Hanssen et al., 2022]. Motivation und Belohnung werden größtenteils von dem dopaminergen System in unserem Gehirn gesteuert. Dopamin wird bereits beim Anblick einer Belohnung, wie Nahrung, ausgeschüttet und löst Glücksgefühle aus.
Immer mehr Studien belegen, dass Fettleibigkeit zu Veränderungen des dopaminergen Systems führen können, die dann zu Veränderungen der Motivation führen [Hanssen et al., 2022].
Experimente an Ratten zeigten beispielsweise, dass bereits der Verzehr einer fettreichen Nahrung eine Abwertung normaler Nahrung bewirkt. Ursache hierfür ist eine verringerte Dopaminausschüttung bei der Aufnahme der Standardnahrung. Die Tiere waren demnach weniger motiviert, fettärmere Nahrung zu sich zu nehmen, da sie ein geringeres Glückgefühl auslöste [Adams et al., 2015]. Ein Experiment, bei denen Menschen körperliche Anstrengung aufbringen mussten, um eine Belohnung zu erhalten verdeutlichte die Motivationsunterschiede zwischen Personen mit einem Normalgewicht und Personen mit Fettleibigkeit. Personen mit Fettleibigkeit waren hier weniger bereit, sich körperlich für eine Belohnung anzustrengen [Mathar et al., 2016].
In einer Studie des Max-Planck-Instituts für Stoffwechselforschung, in der die Proband:innen über einen Zeitraum von 8 Wochen untersucht wurden, konnten Wissenschaftler:innen nachweisen, dass sich die Vorliebe für fett- und zuckerreiche Ernährung schnell verändern kann. Die Proband:innen wurden hier in zwei Gruppen aufgeteilt: Eine Gruppe erhielt täglich einen fett- und zuckerreichen Pudding, während die andere Gruppe einen fett- und zuckerärmeren Pudding mit derselben Kalorienanzahl bekam. Nach 8 Wochen konnte gezeigt werden, dass die Proband:innen, die den fett- und zuckerreichen Pudding aßen, stärker auf Bilder, die fett- und zuckerreiche Nahrungsmittel zeigten reagierten. Die Forschenden maßen dafür die Aktivität bestimmter Hirnregionen und fanden heraus, dass das dopaminerge System besonders aktiviert wurde. Fett- und zuckerreiche Nahrung hatte bei diesen Proband:innen eine belohnendere Wirkung als bei den Proband:innen, die den fett- und zuckerarmen Pudding aßen [Thanarajah et al., 2023].
Mehr Informationen über dieses Experiment und wie Zucker unser Gehirn verändert finden Sie hier.
Unsere Ernährung kann also die Verdrahtung unseres Gehirns beeinflussen. Eine Ernährung, die reich an Fett und Zucker ist, kann Veränderungen im dopaminergen System hervorrufen, die zu einer Veränderung der Motivation und zu einer verstärkten Vorliebe für diese Nahrungsmittel führen können. Diese Veränderungen im Gehirn erschweren somit den Verzicht auf zucker- und fetthaltige Nahrungsmittel und begünstigen dadurch die Entstehung einer Fettleibigkeitserkrankung und die allgemeine Zunahme von Fettleibigkeit.
Quellen:
- Adams, W. K., Sussman, J. L., Kaur, S., D'souza, A. M., Kieffer, T. J., & Winstanley, C. A. (2015). Long‐term, calorie‐restricted intake of a high‐fat diet in rats reduces impulse control and ventral striatal D2 receptor signalling–two markers of addiction vulnerability. European Journal of Neuroscience, 42(12), 3095-3104.
- Boutari, C., DeMarsilis, A., & Mantzoros, C. S. (2023). Obesity and diabetes. Diabetes Research and Clinical Practice, 110773.
- Finger, J. D., Varnaccia, G., Borrmann, A., Lange, C., & Mensink, G. (2018). Körperliche aktivität von kindern und jugendlichen in deutschland–querschnittergebnisse aus kiggs welle 2 und trends.
- Friedman, J. M. (2004). Modern science versus the stigma of obesity. Nature medicine, 10(6), 563-569.
- Hanssen, R., Thanarajah, S. E., Tittgemeyer, M., & Brüning, J. C. (2022). Obesity–A Matter of Motivation?. Experimental and Clinical Endocrinology & Diabetes, 130(05), 290-295.
- Malik, V. S., Willett, W. C., & Hu, F. B. (2013). Global obesity: trends, risk factors and policy implications. Nature Reviews Endocrinology, 9(1), 13-27.
- Mathar, D., Horstmann, A., Pleger, B., Villringer, A., & Neumann, J. (2016). Is it worth the effort? Novel insights into obesity-associated alterations in cost-benefit decision-making. Frontiers in behavioral neuroscience, 9, 360.
- Richter, A., Schienkiwitz, A., Starker, A., Krug, S., Domanska, O., Kuhnert, R., ... & Mensink, G. (2021). Gesundheitsfördernde Verhaltensweisen bei Erwachsenen in Deutschland–Ergebnisse der Studie GEDA 2019/2020-EHIS.
- Thanarajah, S. E., DiFeliceantonio, A. G., Albus, K., Kuzmanovic, B., Rigoux, L., Iglesias, S., ... & Small, D. M. (2023). Habitual daily intake of a sweet and fatty snack modulates reward processing in humans. Cell metabolism, 35(4), 571-584.
- WHO. (2024, 01. 03). One in eight people are now living with obesity. (Abgerufen am 30.04.2024)
Dieser Text wurde verfasst von Lisa Weiher.