Wie hängt Fettleibigkeit mit Krebs zusammen?
Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) gilt Fettleibigkeit als mögliche Ursache für mindestens 13 verschiedene Krebsarten und könnte in einigen Regionen Europas sogar das Rauchen als Hauptrisiko für vermeidbaren Krebs ablösen [Calle und Kaaks, 2004; World Health Organization, 2022]. Die biologischen Mechanismen, die dem Zusammenhang zwischen Fettleibigkeit und Krebs zugrunde liegen, sind noch nicht vollständig verstanden. Es wird jedoch vermutet, dass hormonelle Veränderungen, z.B. der Sexualhormone oder der Insulinausschüttung, aber auch chronische Entzündungen im Fettgewebe und Beeinträchtigungen des Immunsystems eine Rolle spielen [Renehan et al., 2015; Murphy et al., 2018; World Health Organization, 2022].
Am Max-Planck-Institut für Stoffwechselforschung wird der Zusammenhang zwischen Fettleibigkeit und Krebs intensiv erforscht. Insbesondere konzentrieren sich die Forschenden auf fettleibigkeitsassoziierte Entzündungen des Stoffwechsels bei zwei Krebsarten: dem hepatozellulären Karzinom (Leberzellkrebs) und dem kolorektalen Karzinom (Darmkrebs).
Leberzellkrebs
Das hepatozelluläre Karzinom (HCC), auch Leberzellkrebs genannt, ist eine bösartige Veränderung der Leberzellen [Mittenbühler et al., 2020]. Weltweit ist Leberzellkrebs die fünfthäufigste Krebserkrankung und die dritthäufigste Krebstodesursache [Bornschein et al., 2016]. Eine Kombination aus Insulinresistenz, Bluthochdruck, Fettstoffwechselstörungen und Fettleibigkeit - zusammengefasst unter dem Begriff „Metabolisches Syndrom“ - wird neben einer Hepatitis-B oder C-Erkrankung zunehmend als Ursache für Leberzellkrebs erkannt [Siegel et al., 2009].
Am Max-Planck-Institut für Stoffwechselforschung konnte nun in Versuchen mit Mäusen gezeigt werden, dass eine durch kalorienreiche Ernährung induzierte Fettleibigkeit, tatsächlich die Entstehung von Leberzellkrebs begünstigt [Gruber et al., 2013].
An Leberzellkrebs forscht bei uns die Max-Planck-Forschungsgruppe Wunderlich.
Darmkrebs
Auch für die Entstehung von Darmkrebs gilt Fettleibigkeit als wichtiger Risikofaktor. So lassen sich etwa 11% der Darmkrebsfälle in Europa auf Übergewicht und Fettleibigkeit zurückführen [Bardou et al., 2013].
Darmkrebs im Zusammenhang mit Fettleibigkeit wird zum einen mit fettleibigkeitsbedingten Veränderungen der Mikroflora in Verbindung gebracht [Schulz et al., 2014]. Zum anderen konnten Untersuchungen des Max-Planck-Instituts für Stoffwechselforschung eine weitere mögliche Ursache für die Entstehung von Darmkrebs im Zusammenhang mit Fettleibigkeit aufzeigen. In Experimenten, in denen fettleibige Mäuse eine höhere Rate an Darmkrebstumoren aufwiesen als magere Mäuse, wurde auch eine begleitende Entzündungsreaktion festgestellt. Diese Entzündung korrelierten mit der Tumorbildung. Wissenschaftler:innen des Instituts vermuten nun, dass Botenstoffe der Entzündung die Entstehung von Darmkrebs fördern.
An Darmkrebs forscht bei uns die Max-Planck-Forschungsgruppe Wunderlich.
Entzündungen versenden Botenstoffe
Die durch eine Fettleibigkeit verursachte Zunahme des weißen Fettgewebes führt zu Stress in den Fettzellen, wodurch Immunzellen aktiviert und in das Fettgewebe rekrutiert werden. Dies führt zur Freisetzung bestimmter Botenstoffe, sogenannter Zytokine [Kern et al., 2019]. Zytokine sind Signalmoleküle welche die Kommunikation zwischen verschiedenen Zellen ermöglichen und Immunreaktionen regulieren [Robert Koch-Institut, 2004]. Sie können sowohl entzündungshemmend als auch entzündungsfördernd wirken [Wautier & Wautier, 2023].
Zwei bekannte entzündungsfördernde Zytokine im Zusammenhang mit Fettleibigkeit sind das so genannte Interleukin-6, kurz (IL)-6, und der Tumornekrosefaktor α, kurz TNFα [Weisberg et al., 2003]. Die Freisetzung dieser Zytokine durch Immunzellen im entzündeten Fettgewebe führt zur Rekrutierung weiterer Immunzellen, was nicht nur die lokale Entzündung fördert sondern auch systemisch durch den Blutkreislauf freigesetzt wird [Xu et al., 2003]. Die fettleibigkeitsbedingte chronische Entzündung beeinträchtigt so einerseits die Insulinempfindlichkeit aller Stoffwechselorgane und kann aber andererseits auch die Entstehung von Leberzellkrebs und Darmkrebs begünstigen [Kern et al., 2019].
Quellen:
- Bardou, M., Barkun, A. N., & Martel, M. (2013). Obesity and colorectal cancer. Gut, 62(6), 933-947.
- Bornschein, J., Schlosser, S., Schreyer, A. G., & Müller-Schilling, M. (2016). Hepatocellular carcinoma: Diagnosis and treatment. Der Gastroenterologe, 11, 368-382.
- des Robert Koch-Instituts, E. (2004). Bedeutung von Zytokinbestimmungen in der umweltmedizinischen Praxis.
- Calle, E. E., & Kaaks, R. (2004). Overweight, obesity and cancer: epidemiological evidence and proposed mechanisms. Nature Reviews Cancer, 4(8), 579-591.
- Gruber, S., Straub, B. K., Ackermann, P. J., Wunderlich, C. M., Mauer, J., Seeger, J. M., ... & Wunderlich, F. T. (2013). Obesity promotes liver carcinogenesis via Mcl-1 stabilization independent of IL-6Rα signaling. Cell reports, 4(4), 669-680.
- Kern, L., Mittenbühler, M. J., Vesting, A. J., Ostermann, A. L., Wunderlich, C. M., & Wunderlich, F. T. (2019). Obesity-induced TNFα and IL-6 signaling: the missing link between obesity and inflammation—driven liver and colorectal cancers. Cancers, 11(1), 24.
- Mittenbühler, M. J., Saedler, K., Nolte, H., Kern, L., Zhou, J., Qian, S. B., ... & Wunderlich, F. T. (2020). Hepatic FTO is dispensable for the regulation of metabolism but counteracts HCC development in vivo. Molecular Metabolism, 42, 101085.
- Murphy, N., Jenab, M., & Gunter, M. J. (2018). Adiposity and gastrointestinal cancers: epidemiology, mechanisms and future directions. Nature Reviews Gastroenterology & Hepatology, 15(11), 659-670.
- Renehan, A. G., Zwahlen, M., & Egger, M. (2015). Adiposity and cancer risk: new mechanistic insights from epidemiology. Nature Reviews Cancer, 15(8), 484-498.
- Schulz, M. D., Atay, Ç., Heringer, J., Romrig, F. K., Schwitalla, S., Aydin, B., ... & Arkan, M. C. (2014). High-fat-diet-mediated dysbiosis promotes intestinal carcinogenesis independently of obesity. Nature, 514(7523), 508-512.
- Siegel, A. B., & Zhu, A. X. (2009). Metabolic syndrome and hepatocellular carcinoma: two growing epidemics with a potential link. Cancer: Interdisciplinary International Journal of the American Cancer Society, 115(24), 5651-5661.
- Wautier, J. L., & Wautier, M. P. (2023). Pro-and anti-inflammatory prostaglandins and cytokines in humans: A mini review. International Journal of Molecular Sciences, 24(11), 9647.
- Weisberg, S. P., McCann, D., Desai, M., Rosenbaum, M., Leibel, R. L., & Ferrante, A. W. (2003). Obesity is associated with macrophage accumulation in adipose tissue. The Journal of clinical investigation, 112(12), 1796-1808.
- World Health Organization. (2022). WHO European regional obesity report 2022. World Health Organization. Regional Office for Europe.
- Xu, H., Barnes, G. T., Yang, Q., Tan, G., Yang, D., Chou, C. J., ... & Chen, H. (2003). Chronic inflammation in fat plays a crucial role in the development of obesity-related insulin resistance. The Journal of clinical investigation, 112(12), 1821-1830.
Dieser Text wurde verfasst von Lisa Weiher.