UDP – ein gewichtiges Signalmolekül

Das Signalmolekül UDP beeinflusst die Nahrungsaufnahme von Mäusen: UDP stimulierte bestimmte Hirnzellen, die den Appetit der Tiere anregten.

28. September 2015

Übergewicht und Diabetes mellitus Typ 2 zählen zu den häufigsten Volkskrankheiten unserer Zeit. Schuld daran ist häufig das Essverhalten der betroffenen Menschen.  In dem Fachjournal “Cell”  berichten Forscher des Max-Planck-Instituts für Stoffwechselforschung in Köln jetzt wie das Signalmolekül UDP die Nahrungsaufnahme von Mäusen beeinflusst: UDP stimulierte bestimmte Hirnzellen, die den Appetit der Tiere anregten. Zudem war dieses Molekül in den Gehirnen übergewichtiger Mäuse zahlreicher vorhanden, als bei normalgewichtigen Artgenossen. Diese Erkenntnisse könnten helfen zukünftig geeignete Therapien – etwa gegen Adipositas – zu entwickeln.

Viele Menschen essen mehr als sie eigentlich müssten. Das ist laut Professor Jens Brüning, dem Leiter der neuen Studie und Direktor des Max-Planck Instituts für Stoffwechselforschung in Köln, ein ausschlaggebender Grund warum immer mehr Menschen übergewichtig sind. Von den Deutschen ist bereits mehr als die Hälfte zu dick – Tendenz steigend. Für die Gesundheit der Betroffenen ist das nicht förderlich. Sie leiden etwa vermehrt an Bluthochdruck, Herzproblemen oder Diabetes mellitus Typ2. Gewisse Maßnahmen wie gesündere Ernährung, weniger essen oder mehr Bewegung können viele der Betroffenen nicht ausreichend umsetzen. Brüning mahnt jedoch in diesem Zusammenhang: “Wir dürfen Übergewicht nicht nur auf eine fehlende Willenskraft der Patienten schieben. Bei manchen funktioniert einfach die Regulation der Nahrungsaufnahme nicht korrekt.” Deshalb sei es wichtig zu verstehen wie unser Gehirn erfährt, dass bereits genügend Energie im Körper ist, und wir dann signalisiert bekommen: Stopp, genug gegessen.

In den letzten Jahrzehnten kristallisierte sich heraus, dass  das zentrale Nervensystem, insbesondere ein Teilbereich im Hypothalamus solche Signale reguliert: “Hauptsächlich zwei verschiedene Arten von Nervenzellen regeln dort das Hungergefühl eines Menschen”, erklärt Brünings Mitarbeiterin, Sophie Steculorum: “Sogenannte orixigenische Neuronen signalisieren dem Körper Nahrung aufzunehmen, während anorexigenische das Gegenteil bewirken.” In vorherigen Studien konnte bereits gezeigt werden, dass Mäuse denen man die appetitstimulierenden Zellen entfernt hatte, aufhörten zu essen.

Das Team untersuchte nun diesen Zelltyp genauer und fand heraus, dass auf dessen Oberfläche ein Rezeptor namens P2Y6 vertreten war. Ob er sich auf das Essverhalten auswirkt, war aber bis dato nicht bekannt. “In unseren Studien konnten wir nun zeigen, dass das Molekül Uridindiphosphat, kurz UDP, spezifisch die orexigenischen Zellen stimuliert  indem es an P2Y6 bindet  und dadurch den Appetit anregt”,  so Steculorum. Nachvollziehen konnten die Forscher diesen Vorgang in  Experimenten,  in denen sie UDP in das Gehirn von Mäusen injizierten:  Diese Tiere fraßen anschließend deutlich mehr als diejenigen, denen das Signalmolekül nicht zugeführt wurde. Vieles deutete also darauf hin, dass die Konzentration von UDP im Gehirn  mit der aufgenommenen Menge an Nahrung korreliert. “Als wir entdeckten, dass UDP die Nahrungsaufnahme regelt, wollten wir herausfinden, ob vielleicht die Menge dieses Moleküls in den Gehirnen übergewichtiger Mäusen von sich aus erhöht ist”, erläutert Steculorum. Und tatsächlich: Sowohl bei Mäusen, die man im Voraus dick gefüttert hatte, als auch bei solchen, die durch eine genetische Veranlagung übergewichtig waren,  fanden die Forscher erhöhte Mengen an UDP im Hypothalamus. 

Doch wie kommt diese anscheinend ungesund hohe Konzentration an UDP zustande? Den Forschern war bekannt, dass der Körper UDP aus einer Vorstufe, dem organischen Molekül namens Uridin synthetisiert. “Wir entdeckten, dass bei übergewichtigen Mäusen die Konzentration von Uridin im Blut erhöht war”, so Brüning. Injizierten die Wissenschaftler normalgewichtigen Mäusen zusätzliches Uridin, dann erhöhte sich auch deren UDP Konzentration im Gehirn, sprich: Je mehr Uridin im Blut, desto mehr UDP im Gehirn. 

Uridin wird  in der Leber produziert aber – so der Leiter der Studie – in diesem Fall gibt es bislang keine Anhaltspunkte, woher die höheren Konzentrationen rühren. “Das müssen erst zukünftige Studien zeigen”, so Brüning. Für ein mögliches Medikament sind aber ohnehin die appetitstimulierenden Nervenzellen ein geeigneterer Ansatzpunkt: “Wenn der Wirkungsmechanismus bei uns Menschen gleich ist, dann besteht vielleicht die Möglichkeit, den Rezeptor dieser Zellen zu blockieren und so die Nahrungsaufnahme zu regulieren” erwägt Brüning und ergänzt: “In jedem Fall  ist der gefundene Mechanismus nur ein kleines Puzzlestück eines komplexen Störungsbilds”. Und wie so oft haben vielschichtige Probleme nur selten eine triviale Lösung. Auch weniger zu essen ist eben nicht so einfach wie manch Einer vermuten würde.

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