Tierversuche am MPI für Stoffwechselforschung

Übergewicht ist ein immer größer werdendes gesellschaftliches Problem – so ist laut statistischem Bundesamt allein in Deutschland mehr als die Hälfte der Menschen übergewichtig. In Folge steigen auch die Zahlen an Diabetes- und Schlaganfall-Patient:innen dramatisch an. Diese besorgniserregende Entwicklung zeigt, wie wichtig die Erforschung des Stoffwechsels ist. Denn nur ein detailliertes Verständnis der Mechanismen, die es normalerweise erlauben das Körpergewicht konstant zu halten, ist die Grundlage dafür deren Fehlsteuerung in der Krankheitsentstehung zu definieren, um letztendlich neue Therapien dieser Volkserkrankungen zu entwickeln. Deshalb streben wir an, genau zu verstehen wie der Körper sein Gewicht und den Zuckerstoffwechsel reguliert.

Zu diesem Zweck verwenden wir am Institut verschiedenste Methoden und Technologien. Für die Untersuchung der molekularen Grundlagen von Fettleibigkeit und der Entstehung von Typ-2-Diabetes führen wir Studien in Zellkulturen durch – analysieren Zellen also in der Petrischale. Um allerdings komplexere Fragen zu beantworten, müssen wir einen gesamten Organismus betrachten. So können wir zum Beispiel die Frage, wie das Gehirn das Hunger- und Sättigungsgefühl steuert, nicht an einzelnen Zellen studieren, sondern müssen dafür den gesamten Körper untersuchen. Dafür nutzen wir zum einen die Maus als Modellorganismus und führen zum anderen Studien an menschlichen Probanden durch. Langfristig soll unsere Forschung dazu beitragen, neue molekulare Therapieansätze für Erkrankungen wie Alterszucker und Fettleibigkeit zu entwickeln.

Wie Tierversuche in Deutschland geregelt sind möchten wir hier beantworten.

  1. Warum brauchen wir überhaupt Tierversuche?
  2. Labortiere und Tierschutz
  3. Genehmigung von Tierversuchen: Die rechtliche Situation in Deutschland
  4. Wie werden die Tiere gehalten

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Baseler Erklärung
Ein Aufruf für mehr Vertrauen, Transparenz und Kommunikation in der Tierforschung

Warum brauchen wir überhaupt Tierversuche?

Ein wesentliches Ziel biologischer und medizinischer Grundlagenforschung ist es, ein möglichst vollständiges Bild über das komplexe Zusammenwirken im Körper zu bekommen. Dies ist die Voraussetzung, um Krankheiten zu verstehen und entsprechende Medikamente oder Behandlungsmethoden entwickeln zu können. Obgleich heute ein Großteil der biomedizinischen Grundlagenforschung mit tierversuchsfreien Methoden erfolgt, können manche Fragen nur durch die Arbeit mit Labortieren beantwortet werden. Denn Alternativmethoden wie Computermodelle oder Zellkulturen können immer nur einen Teil des Gesamtbildes vermitteln. Dies trifft besonders für die Untersuchungen zur Regulation des Stoffwechsels durch das Gehirn zu, da hier Hormone aus unterschiedlichen Organen dem Gehirn den Energiezustand des Körpers mitteilen. Das Ziel unserer Untersuchungen ist, genau zu definieren, welche spezialisierten Nervenzellarten im Gehirn dann Nahrungsaufnahme und Zuckerstoffwechsel regulieren.

Ist es nicht möglich, komplexe Vorgänge und Interaktionen im Körper direkt am Menschen zu untersuchen, so können Labortiere die bestmögliche Alternative sein. Denn zwischen Mensch und Tier besteht eine große biologische Ähnlichkeit. Alle Zellen und Organe wie beispielsweise Lunge, Herz, Leber, Nieren, Nerven und Gehirn erfüllen bei Zwei- und Vierbeinern die gleichen Aufgaben. Viele Krankheiten, die den Menschen bedrohen, kommen in gleicher oder ähnlicher Form auch bei Tieren vor. Hunde bekommen Diabetes, einige Ratten Bluthochdruck, Mäuse und Ratten Krebs und Virusinfektionen. Viele Fragestellungen können daher im sogenannten Tiermodell untersucht werden. Unterschiede zwischen Menschen und Tier werden bei der Konzeption der Versuche selbstverständlich berücksichtigt – zum Beispiel bei der Dosis oder der Art der Verabreichung von Medikamenten.

Nicht selten führt übrigens eine Forschungsarbeit zu Behandlungen, die sowohl bei Menschen als auch bei Tieren angewendet werden. Fast 90 Prozent aller bei Menschen und Haustier verwendeten Medikamente sind identisch. 

Labortiere und Tierschutz

Für eine Forschungsorganisation ist die Arbeit mit Tieren unverzichtbar – wer biologische Zusammenhänge verstehen will, muss auch Tierversuche machen (siehe auch "Warum brauchen wir überhaupt Tierversuche?"). Das Wohl der Versuchstiere ist dabei allen mit Tierversuchen befassten Mitarbeiter:innen der Max-Planck-Gesellschaft ein besonderes Anliegen: Tierschutz, bestmögliche Haltungsbedingungen und ein verantwortungsvoller Umgang mit den Tieren sind ihnen eine ethische Verpflichtung, stehen aber auch in ihrem ureigenen Interesse – sie sind unabdingbare Voraussetzung dafür, dass verwertbare und reproduzierbare wissenschaftliche Ergebnisse entstehen. Jeder Versuch wird sorgfältig geplant, mögliche Alternativen werden abgewogen. Auch bei der Pflege und Unterbringung der Labortiere werden große Anstrengungen unternommen. Die Betreuung der Tiere liegt in den Händen erfahrener Tierärzt:innen und qualifizierter Tierpfleger:innen.

Die Wissenschaftler:innen in der Max-Planck-Gesellschaft sind darauf bedacht, die Anzahl der Tierversuche wie auch die Belastung der Tiere in den einzelnen Versuchen so gering wie möglich zu halten. Bei der Planung und Durchführung der Versuche wenden sie das so genannte 3-R-Prinzip an. 3-R steht für „reduce, refine, replace“ - im Deutschen könnte man sinngemäß sagen „vermindern, verbessern, vermeiden“: Die Zahl der Tiere pro Versuch wird auf das unbedingt erforderliche Minimum reduziert (reduction); die Durchführung der Versuche und die Haltung der Tiere werden so optimiert, dass die Belastung der Tiere so gering wie möglich ist (refinement), Tierversuche werden durch Alternativmethoden ersetzt, wann immer dies möglich ist (replacement).

Strenge Vorschriften kontrollieren in Deutschland die tierexperimentelle Forschung wie kaum einen anderen Bereich der Tierhaltung und –nutzung. Jeder Tierversuch an einem Wirbeltier ist genehmigungspflichtig und die Zulassungsbehörden überprüfen in jedem Einzelfall, ob der Versuch unerlässlich ist oder ob die angestrebten Erkenntnisse auch auf andere Weise gewonnen werden können. Vertreter der zuständigen Behörden haben jederzeit Zutritt zu den Versuchsanlagen und Tierhaltungen.

Tierversuche und Ersatz- und Ergänzungsmethoden zum Tierversuch stehen in einem engen Zusammenhang. Im finanziellen Umfang der Forschungsförderung für Grundlagenforschung nehmen Ersatz- und Ergänzungsmethoden bereits seit langer Zeit einen größeren Raum ein als die Tierversuche selbst.

Genehmigung von Tierversuchen: Die rechtliche Situation in Deutschland

In Deutschland und auch in vielen anderen Ländern gibt es strenge Kontrollen, um Tierversuche auf ein Minimum zu beschränken. Das deutsche Tierschutzgesetz - im internationalen Vergleich eines der strengsten - regelt den Umgang mit Tierversuchen. Dort ist im fünften Abschnitt (§§ 7-10 TSchG) genau definiert, was ein Tierversuch ist und wann und unter welchen Voraussetzungen ein solcher durchgeführt werden darf. Für Versuche an Wirbeltieren benötigen Forschende die Genehmigung durch die zuständige Behörde für jedes einzelne Versuchsvorhaben.

Der Antrag auf Genehmigung eines Versuchsvorhabens ist schriftlich bei der zuständigen Behörde einzureichen. In dem detaillierten Antrag ist wissenschaftlich genau zu begründen, warum das Forschungsziel ohne den Einsatz von Labortieren nicht erreicht werden kann. Bei der Entscheidung über die Genehmigung oder Ablehnung eines Tierversuchsantrages wird die Behörde durch eine Kommission (§ 15 TSchG) beratend unterstützt, die sich intensiv mit jedem Antrag befasst. Die Mehrheit der Mitglieder dieser Kommission muss die für die Beurteilung von Tierversuchen erforderlichen Fachkenntnisse der Veterinärmedizin, der Medizin oder eine naturwissenschaftliche Fachrichtung haben. Ein Drittel der Mitglieder wird von der Behörde aus Vorschlaglisten der Tierschutzorganisationen ausgewählt.

Das Tierschutzgesetz bestimmt zudem, dass nur Personen Tierversuche durchführen dürfen, die nachweislich über eine entsprechende Ausbildung verfügen. Wenn ein Versuch mit Schmerzen oder erheblichen Belastungen für das Tier verbunden ist, muss diesem in der Regel ein ausreichend dosiertes Schmerz- oder Betäubungsmittel verabreicht werden. Das Gesetz stellt somit sicher, dass alle Tierversuche so schonend wie möglich durchgeführt werden und das Tier so wenig wie möglich belasten.

Auch die Tierhaltung und die Durchführung der Versuche werden genauestens kontrolliert: das Gesetz schreibt vor, dass sie durch einen unabhängigen Tierarzt überwacht werden. Mehrmals im Jahr besuchen Vertreter der Genehmigungsbehörden unangekündigt die Forschungseinrichtungen. 

Tierhaltung

Die meisten unserer in Versuchen eingesetzten Tiere stammen aus eigener Zucht, einige kommen aus anderen Forschungsinstituten oder von spezialisierten, von den zuständigen Behörden kontrollierten Züchtern. Die Tierhaltung in unserem Tierhaus beruht auf den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen der Versuchstierkunde. Gut ausgebildete, erfahrene Tierpfleger:innen sorgen gemeinsam mit Tierärzt:innen und Biolog:innen für eine tierschutzgerechte Haltung, die die vielfältigen Bedürfnisse der jeweiligen Versuchstiere berücksichtigt. Um unsere hohen Anforderungen an die Tierhaltung zu erfüllen, bilden wir jährlich Auszubildende als Tierpfleger:innen aus. Die Unterbringung der Tiere entspricht ihren artspezifischen Grundbedürfnissen. Soweit keine medizinischen oder experimentellen Gründe dagegensprechen, werden zum Beispiel Mäuse in Familien- oder Geschwistergruppen gehalten. Die Käfige bieten Rückzugs- und Beschäftigungsmöglichkeiten; großer Wert wird auf Hygiene und Sauberkeit als Grundvoraussetzung für die Gesundheit der Tiere gelegt.

Die sorgfältige und aufwendige Tierhaltung ist nicht zuletzt im ureigenen Interesse der Wissenschaft: Nur mit gesunden Tieren, die in stressfreien Verhältnissen artgerechter Tierhaltung leben, können in Tierversuchen verwertbare wissenschaftliche Erkenntnisse gewonnen werden.

Zucht und Haltung der Tiere wie auch die Durchführung der Versuche werden von unserer Tierschutzbeauftragten wie auch von den zuständigen Behörden überprüft. Die Wissenschaftler:innen planen die Versuche gemeinsam mit der Tierhausleiterin und der Tierschutzbeauftragten des Instituts, um sicherzustellen, dass die Tiere so wenig wie möglich belastet werden. 

Maushaltung

In unserer Tierhaltung leben die meisten Mäuse in Gruppenhaltung. Jungtiere werden nach der Säugeperiode von der Mutter getrennt und in gleichgeschlechtlichen Gruppen gehalten. Lediglich ausgewachsene Männchen müssen häufig einzeln gehalten werden, wenn sie zuvor mit einem Weibchen verpaart waren, denn dann werden sie so dominant, dass sie nicht mehr in einer Gruppe gehalten werden können.

Die Käfige für die Mäuse bestehen aus transparentem Kunststoff und haben eine Fläche von mindestens 370 Quadratzentimetern. Je nach Körpergewicht leben darin zwischen drei und sechs Tiere. Die Käfige sind 14 Zentimeter hoch und werden von einem Gitterdeckel abgeschlossen, den die Tiere zum Klettern verwenden. Darin befinden sich die Futterraufe und eine Trinkflasche.

Jeder Käfig enthält Einstreu aus Holzspänen oder -chips. Kleine Verstecke aus rotem, transparentem Kunststoff – sogenannte Maushäuser – dienen als Rückzugsmöglichkeiten, spezielles Nistmaterial ermöglicht den Nestbau und bietet Beschäftigung. Ein standardisiertes Alleinfuttermittel in Pellet-Form deckt vollständig den Nährstoffbedarf und steht ebenso wie Wasser immer zur freien Verfügung.

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